Ich glaube, ich habe meine wahre Natur nie wirklich vergessen. Das reine Bewusstsein, die pure Existenz, IN der das Menschsein erscheint.
Ich hatte immer ein suchendes Gefühl in mir, ohne zu wissen, was genau ich suche. Aber ich habe natürlich aus der Perspektive der scheinbaren Person gesucht, innerhalb der scheinbaren Welt…

Ein Gefühl von Unstimmigkeit war immer da

Als Kind war ich noch ganz natürlich mit der Weite des Seins verbunden. Mit Beginn der Pubertät begann dann erst so richtig die Identifikation mit dem Körper und den Gedanken. Ich hatte das Gefühl, nicht in die Welt zu passen, alles fühlte sich klein und eng an und ich dachte, dass es an meiner Persönlichkeit liegen muss, dass ich wohl besonders freiheitsliebend sei. Ich erinnere mich, dass ich öfter dachte, dass „sogar“ das Menschsein mir zu klein ist, ein Gedanke, der mir selbst völlig absurd vorkam, denn natürlich hatte ich keinen Zweifel daran, ausschließlich ein Mensch zu sein.

Ich muss dazu sagen, dass das in den 90er Jahren war, also bevor es unzählige Blogs und Youtube-Videos zum Thema spirituelles Erwachen gab. Sonst hätte ich wahrscheinlich meine Empfindungen irgendwann bei Google eingetippt und hätte Hinweise darauf gefunden, was mit „mir“ los war …

In meinen Zwanzigern habe ich mich dann erst so richtig auf das sogenannte normale Leben eingelassen, habe studiert, mich selbständig gemacht, bin Mama geworden … und ich habe auch viel Freude in meinem Leben empfunden. Aber in mir war immer dieses Gefühl, als ob ich noch „ich selbst“ werden muss. Ich habe einen weiten inneren Raum gespürt, der so viel größer war als ich als kleine Person, aber ich konnte das nicht einordnen.

Mein spirituelles Erwachen beginnt
Nach dem Jahreswechsel 2014 war etwas anders, mein Bewusstsein hatte sich verändert. Es fühlte sich irgendwie stiller an und ein neues Gefühl von Selbstliebe war spürbar. Und gleichzeitig funktionierte im Außen nichts mehr wie gewohnt. Mein spirituelles Erwachen hatte begonnen. Aber ich wusste das damals nicht und konnte diese Veränderungen nicht einordnen.

Im Rückblick erkenne ich klar, dass alles, was auf Ego-Ebene gebaut war, keine Kraft mehr hatte und einfach nicht mehr funktionierte, sowohl beruflich auch als privat. Das war teilweise sehr schmerzhaft, vor allem, weil viel Widerstand in mir war. Aber ich merkte auch, dass immer wenn etwas „Falsches“ wegbrach, dafür etwas Neues in mein Leben kam, das sich echter und mehr nach mir selbst anfühlte. Alles in allem, empfand ich unglaublich viel Verwirrung in diese Zeit.

Irgendwann stieß ich dann auf das Buch „Jetzt“ von Eckhart Tolle und ich konnte zum ersten Mal ein bisschen einordnen, was bei mir gerade geschieht. Ich begann mich für diesen Prozess zu öffnen und ihm zu vertrauen.

Meine erste Erfahrung mit der Frieden im Hintergrund

Ich erinnere mich sehr gut an diesen Tag, es war ein Samstag, der 8.8.2015. Ich hatte mir bei Dussmann in Berlin ein Buch über Quantenheilung von Frank Kinslow gekauft und mich dann auf eine Bank in den Tiergarten gesetzt und begonnen zu lesen. Er beschreibt in seinem Buch einige simple Techniken, mit denen man die Gedanken für einem Moment anhalten kann, um das reine Bewusstsein dahinter wahrzunehmen.

Eine Technik war, die Gedanken durch Fragen zu verwirren und dadurch ins Stocken zu bringen, zum Beispiel durch die Frage: Welche Farbe hat wohl mein nächster Gedanke?

Ich setzte das gleich um fragte mich, welche Farbe hat wohl mein nächster Gedanke … dadurch entstand eine Lücke im Gedankenfluss. Und in dieser Lücke stieg augenblicklich ein leiser Frieden in mir auf. Er war still und lieblich und wunderwunderschön. Ich saß noch lange auf dieser Bank und wiederholte das immer wieder. Ich fand heraus, dass es umso besser funktionierte, je absichtsloser ich die Frage stellte. Und ich erkannte intuitiv, dass ich diesen Frieden nicht nur wahrnahm, sondern dass ich dieser Frieden BIN. Er fühlte sich nach zuhause an.

Das war meine erste unmittelbare Begegnung mit etwas, das offenbar immer da ist und das viel tiefer ist als unsere Erfahrung des Menschseins. Falls du das auch ausprobieren möchtest, will ich dir gerne noch eine Frage mitgeben, die ich später für mich entdeckt habe, die meine Gedanken immer verwirrt und für einen Moment zum Stillstand bringt: Welches ist mein übernächster Gedanke?

Ein langer Prozess – vom Ego zum Seins

Die Wege des spirituellen Erwachens sind so unterschiedlich, wie die Menschen unterschiedlich sind. Bei mir war es so, dass ich viel Zeit alleine verbracht habe und unzählige Spaziergänge in der Natur gemacht habe. Zeitweise hatte ich das Gefühl, aus der Welt gefallen zu sein, weil ich an vielen Dingen auch kein Interesse mehr hatte.

Aber auch das ist ein natürlicher Teil dieses Weges. Wenn die Identifikation mit der Person immer durchlässiger wird, verlieren auch Interessen, die nur aus der Identifikation heraus entstanden sind, ihre Kraft. Durch viele Dinge, die wir im Leben tun, wollen wir etwas erreichen oder unser Selbstbild stärken, das hat aber oft keine tiefere Substanz, weil es nur auf Gedanken und Vorstellungen gebaut ist.
Aus dem wahren Selbst heraus zu leben, ist gegenwärtiger und absichtsloser und entspricht viel mehr der eigenen Wahrheit, weil es auch nicht mehr so wichtig ist, was andere denken.

Durch diese Entwicklung fallen manch alte Interessen und Gewohnheiten weg, weil sie nicht mehr in Resonanz sind mit dem neuen Sein. Und es dauert wiederum, bis das neue innere Sein, seinen Ausdruck in neuen Aktivitäten findet.

Ein langer Weg, der nur ein scheinbarer Weg ist

Insgesamt dauerte dieser Weg elf Jahre bei mir. Wobei es aus Sicht des erwachten Seins nur ein scheinbarer Weg ist. Denn das, was wir sind, verändert sich nie und ist nicht in Zeit und Raum. Es ist der stille Hintergrund, der sogar die Suche nach ihm einfach bezeugt. Während ich das schreibe, muss ich wieder lachen, denn es ist tatsächlich lustig, dass man sich selbst sucht, um dann zu erkennen, dass man die ganze Zeit der stille Zeuge dieser Suche war.

Und dieser Zeuge ist unberührt davon, ob man meditiert oder Schuhe shoppen geht. Das, was wir als Erwachensprozess empfinden, ist ein Transzendieren des Verstandes. All die Selbstbilder und Vorstellungen, mit denen wir uns jahrzehntelang verwechselt haben, haben natürlich eine unglaubliche Kraft entwickelt. Und das ist der eigentliche Prozess, uns selbst wieder „herauszuwickeln“ aus diesen ganzen geglaubten Gedanken.

Und wenn der Verstand durchlässig wird, kann durchscheinen, was immer da war. Das reine Sein, ein stiller Frieden, der die Leinwand all unserer Erfahrungen ist. Unsere Erfahrungen verändern sich ständig, alles kommt und geht auch wieder, und unser Körper wird älter und wird auch vergehen … Aber unser wirkliches Sein ist in diesem Urgrund verwurzelt, der ewig und zeitlos ist.

Nach dem Erwachen

Jetzt, da ich wieder mit dem tieferen Sein verbunden bin, fällt es mir leichter als je zuvor, mich auf das Menschsein einzulassen. Das Leben geht ganz unspektakulär weiter seinen Gang und gleichzeitig ist da viel mehr Leichtigkeit und Gegenwärtigkeit.

Jedes „Erreichen wollen“ ist weg. Stattdessen will ich einfach nur leben und ausdrücken, was meine Wahrheit ist und mich darüber mit anderen Menschen verbinden. Und einfach viele kleine Momente genießen, ohne Ziel, ohne Richtung, einfach aus dem Sein heraus.